Stell die Verbindung her
Miriam Schmid ist auf und abseits der Bühne als „Die Miri“ bekannt. Die Theatermacherin, Performerin und Regisseurin sucht in der Kunst die Berührungspunkte - und das Risiko.
„Die Miri" ist nicht nur eine Performance-Rolle der Künstlerin Miriam Schmid, sondern in Graz, wo sie neben Wien hauptsächlich lebt, ihr inoffizieller Künstlername. Das Klischee von der extrovertierten Bühnenkünstlerin erfüllt sie nicht. Begegnet man ihr, trifft man auf eine aufmerksame, offene Persönlichkeit, die dem unmittelbaren Eindruck nach lieber beobachtet und abwägt, als selbst zu „senden" und im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Der 1989 in Salzburg geborenen Performerin, Regisseurin und Theatermacherin war die Bühnenkunst nicht in die Wiege gelegt: „Ich bin einfach über das Theater gestolpert", erinnert sie sich.
Zwar hatte sie schon als Teenager den vagen Traum, Künstlerin zu werden, ist aber dann mit der konkreten Absicht nach Graz gezogen, Erziehungswissenschaften zu studieren. „Manchmal passieren einem ja Dinge, die man träumt", meint sie und scheint selbst immer noch ein wenig überrascht zu sein, dass sie ihre Berufung nicht, wie angestrebt, im Sozialbereich, sondern in der Kunst gefunden hat.
Das andere Theater
Erster Anlass für diese Richtungsänderung war das Theaterpraktikum des Vereins UniT an der Universität Graz, zu dem eigentlich gar nicht sie, sondern eine Freundin angemeldet war: „Damals habe ich entdeckt, dass Theater noch ganz anders sein kann als das, was ich bis dahin als Theater gekannt habe." Es folgten zahlreiche Workshops und eine Ausbildung zur Theaterpädagogin. Erst aber wurde sie gemeinsam mit einer Handvoll anderen theaterbegeisterten Studierenden von UniT-Kursleiterin Karin Gschiel, die damals dem freien Theaterkollektiv t'eig angehörte, ans TaO (Theater am Ortweinplatz) vermittelt. Dort fand Miriam Schmid den Raum und die richtigen Menschen, um zu experimentieren und sich auszuprobieren. Der Zufall übernahm an dieser Schlüsselstelle in ihrem Leben ziemlich erfolgreich die Regie. TaO-Regisseur Simon Windisch wurde ein wichtiger Förderer und Mitstreiter, auch Nora Winkler lernte sie am Jugendtheater am Ortweinplatz kennen, die wie Miriam Schmid bis heute einer der „Fixsterne" des neunköpfigen "Planetenparty Prinzips" ist. Das Kollektiv ist seit 2015 bekannt für unkonventionelle Performances und innovatives Theater und entstand im Dunstkreis des TaO und der Theaterfabrik Weiz.
Ein Jahr zuvor stand Miriam Schmid solo auf der (Kleinkunst-)Bühne: 2014 gewann sie den Kabarett-Wettbewerb „Grazer Kleinkunstvogel" für „Die Miri - die Katz", ihr erstes Kabarettprogramm, das als „Anti-Kabarett auf der Kabarett-Bühne" konzipiert war. Gemeinsam mit Regisseur Simon Windisch (TaO, Follow the Rabbit) stellte sie sich die Frage: „Was ist eigentlich lustig?" Erklärtes Ziel war es, Erwartungshaltungen an das Kabarett zu brechen. „Eine buckelige, schiache Figur, die nicht lachen kann, hat uns gut gefallen." Der Meta-Humor war nicht ganz leicht zugänglich, erinnert sie sich: „Es gab Abende, da waren alle hellauf begeistert, aber es waren auch Vorführungen dabei, wo sehr wenig gelacht wurde", erzählt sie lachend. „An dem konkreten Abend ist das dann nicht so lustig, aber als künstlerische Arbeit finde ich es dennoch richtig und wertvoll." Resonanz gab es auch in der deutschen Kabarettszene, wo sie 2016 als einzige Österreicherin für den Bielefelder Kabarettpreis nominiert war. 2017 folgte mit „Die Miri - die Kua" die Fortsetzung der schrägen Soloperformance. Die Frauenfigur mit dem extragroßen Buckel als Erkennungsmerkmal lebte von 2018 bis 2023 in der unkonventionellen Literaturshow „Roboter mit Senf" des Literaturhauses Graz weiter.
Im Forum Stadtpark
Mittlerweile steht Miriam Schmid seltener auf der Bühne, ihr Fokus hat sich mehr in Richtung konzeptuelle Arbeit verschoben. In diesem Bereich konnte sie sich unter anderem ab 2019 gemeinsam mit Victoria Fux als Kuratorin der Performance-Sparte im Forum Stadtpark vertiefen, seit 2021 bildet sie gemeinsam mit Markus Gönitzer und Robin Klengel das Vorstandsteam der Kulturinstitution. „Die Leitung des Forums bedeutet nicht nur künstlerische Arbeit, sondern auch Organisation. Rund 70 Prozent meiner Arbeit ist aber Kunst, damit bin ich definitiv in einer privilegierten Situation", räumt sie ein.
Fragile Prozesse
Ein Rezept, um Kunst zu machen, gibt es für Miriam Schmid nicht: „Kreative Prozesse sind sehr fragil, es gehört dazu, dass man durch Höhen und Tiefen geht und Unsicherheit aushält; ich habe das erst lernen müssen." Nicht immer sei man am Ende restlos glücklich mit dem eingeschlagenen Weg, selbst wirklich renommierten Theatermacher:innen glückten herausragende Stücke nicht in Serie, „dafür muss alles zusammenpassen, Theater ist ja ein gemeinschaftlicher Prozess vieler Menschen."
Die Eckdaten ihres künstlerischen Werdegangs zeigen jedenfalls einen konstanten Aufwärtstrend an. 2020 wurde Miriam Schmid mit dem Start-Stipendium für Darstellende Kunst des Bundeskanzleramtes Österreich ausgezeichnet. Im April bis Mai 2024 war sie als „Artist in Residence"-Stipendiatin des Landes Steiermark in Tirana, wo sie sich vom einem neuen Genre, dem Film, widmen konnte. Der Film, der sich mit den Spuren der k.u.k.-Geschichte am Balkan beschäftigt, wurde im September 2024 bei der Vienna Contemporary gezeigt und wird im Oktober 2024 in Tirana zu sehen sein. In ihrer Arbeit interessiert sie sich für die Überschneidung von Fiktionalität und Dokumentarischem. Gute Kunst ist für Miriam Schmid jene, die viele Facetten und Ebenen einbezieht und sowohl intellektuell als auch emotional fordert.
Innovative Konstellation
Für diesen Ansatz steht auch Das Planetenparty Prinzip, das 2025 sein 10-jähriges Jubiläum feiert. Die neun Theatermacher:innen haben individuelle Zugänge. Das Experiment, das Interesse am Erforschen von Mechanismen im gesellschaftspolitischen wie individuellen Kontext ist der gemeinsame Nenner. So stand in den letzten Jahren eine Bürgerkriegs-Trilogie ebenso am Spielplan wie eine performative Erkundung der Körpermitte oder weiblicher Sexualität. Ein wichtiges Werkzeug sei Humor, da er die Tragik oft deutlicher sichtbar macht. Auch Kooperationsfreudigkeit ist ein „Planetenparty-Prinzip". Aktuell freut sich Miriam Schmid auf ihre Regiearbeit bei der Co-Produktion mit dem Schauspielhaus Graz im Frühjahr 2025. Für diese Zusammenarbeit muss eine Triggerwarnung vorausgeschickt werden: Die Performance „Im Rückspiegel" wird den kollektiven Erinnerungen an die Amokfahrt 2015 in Graz nachspüren.
Regie bringt die Aufgabe mit sich, Hauptverantwortung zu tragen, Miriam Schmid geht in ihrer Arbeit hohe Risiken ein, lotet Grenzen aus, zugleich ist sie keine, die den Drang hat, sich durchzusetzen und vorzupreschen. Sie sucht im Gegenüber nicht den Widerstand, sondern die Begegnung.
Die Antwort auf die Frage, warum sie Kunst macht, folgt ohne Nachdenkpause: „Ich will wissen, wie sich verschiedene Lebensrealitäten gestalten. Kunst mache ich aus dem Wunsch heraus, mich mit Menschen zu verbinden. Das ist, was mich an der Sozialarbeit interessiert hat und in der Kunst interessiert."
Sigrun Karre
September 2024