Schlüsselbilder und Palimpseste
In seinen thematisch angelegten Reihen zumeist kleinformatiger Ölbilder erzählt der Künstler Michael Fanta oft von Befindlichkeiten eines Individuums unter spezifisch gesellschaftlichen Umständen. Dabei arbeitet der 1989 in Graz geborene und in Wien lebende Maler und Zeichner durchwegs in Zyklen.
Im Mai und April 2024 nahm Michael Fanta ein Atelier-Stipendium des Landes Steiermark in Belgrad wahr. In den Räumlichkeiten einer ehemaligen Arztpraxis für Arbeiter und einer aufgelassenen Textilfabrik begann er mit der Arbeit an einem neuen Zyklus.
Seine Motive findet Fanta meist nach zuvor festgehaltenen Notizen oder Fotografien. Zunächst wird immer der Hintergrund angelegt, vor dem sich Motive sukzessive entwickeln. Durch oftmaliges Übermalen verworfener Kompositionsansätze entsteht eine für ihn plausible Bildstruktur und pastose, wenn nicht reliefartige Oberflächen, unter denen frühere Fragmente der Erzählung wie in einem Palimpsest erhalten, nun aber verborgen sind.
In Belgrad arbeitete Michael Fanta an 20 Ölbildern, überwiegend wieder im kleinen Format. Zurück aus Belgrad, wurde für Juni eine Ausstellung bei Kultur in Graz (KiG) im Grazer Volkshaus vereinbart. In Graz fand er während des Malens an einer Auswahl aus dem Belgrader Konvolut den Titel für diesen Zyklus von nun 13 Arbeiten: Key to the Gate. Inhaltlich handeln die einzelnen Bilder von traumatischen Situationen, denen sich ein Individuum ausgesetzt sieht. Wie im Titelbild zur Ausstellung, Scan, taucht mehrmals der Kopf einer Figur mit weit geöffneten, vielleicht angsterfüllten Augen auf. Nach oben blickend, scheint die Figur in Scan gerade in einen Computertomografen geschoben zu werden. Während die anderen Tableaus der Reihe in Öl auf Baumwolle, Papier oder Holz gemalt sind, wendet Fanta in Scan auch eine für ihn neue Technik an, indem er mehrere Schichten Öl auf Plexiglas malt, wodurch die Bildoberfläche schon wie ein Relief anmutet.
In Sorgenkind beispielsweise wird sichtlich von oben, aus einem Löffel, etwas eingeflößt. So handeln die Arbeiten also von Einflüssen, deren man sich nicht erwehren kann, denen man ausgesetzt ist. Schule etwa ist die Frontalansicht eines Plattenbaus vor hügeligem Hintergrund mit dem Ausschnitt einer Laufbahn im Vordergrund. In diesem Bild einer Disziplinierungsmaschine experimentiert Fanta aber auch wieder mit dem Material, das ausschlaggebend für die Komposition ist. Die Querstreben des Keilrahmens, die sich beim Malen gegen die Baumwolle drücken, bestimmen die räumliche Komposition. Die Firstkante des Gebäudes entspricht genau der waagrechten Oberkante der Querverspannung des Keilrahmens und damit der waagrechten Bildmitte. An genau der senkrechten Bildmitte befindet sich das Eingangstor zur „Anstalt".
Wenn diese Bilder stilistisch bewusst an Cartoons erinnern und ästhetisch zunächst unkompliziert erscheinen mögen, vermitteln sie doch etwas verzweifelt Beunruhigendes. Die inzwischen gängige Genrebezeichnung „Bad Paintings" müsste angesichts dieses Zyklus von Michael Fanta im Sinn von „Bedrücktheit" verstanden sein.
Kurzbio
Michael Fanta (*1989) studierte bei Daniel Richter an der Akademie der bildenden Künste Wien. Außerdem besuchte er die Iceland Academy of Arts in Reykjavik. Einzelausstellungen im Institut für Moderne Kunst Nürnberg, im Österreichischen Kulturforum Budapest und in der Galerie Zeller van Almsick (Wien), Teilnahme an einer Reihe namhafter internationaler Gruppenausstellungen sowie an Residenzprogrammen in Zagreb, Venedig, Nürnberg, Tusa (Sizilien), Kraskow (Polen), Belgrad und Athen. Publikationen: Dark Bar (Verlag Forum Stadtpark 2018), Night Out (Institut für moderne Kunst Nürnberg 2018), WC (Eigenverlag 2019) und 100 Small Oil Paintings (Eigenverlag 2024).
Wenzel Mraček
September 2024