Alltagsthemen für die Kunst
Grundsteine für ihre Kunst legte Frauke Bittner schon ihr ganzes Leben lang, jedoch nebenbei.
Ein kurzer Blick auf die Biografie der nunmehr 46-jährigen Künstlerin zeigt, dass sie jahrelang in verschiedenen steirischen/Grazer Kulturinstitutionen berufliche Erfahrungen sammelte. Als sie sich entschloss, sich voll und ganz der Kunst zu widmen, gab sie ihren damaligen Job als PR- und Marketing-Verantwortliche des GrazMuseums auf. Schließlich hatte sie auch schon seit geraumer Zeit die Meisterschule für Kunst & Gestaltung, Klasse für keramische Formgebung an der Grazer Ortweinschule besucht. „Der Wunsch war immer da“, erzählt Frauke Bittner. Vor dem Entschluss, hauptberuflich als Künstlerin tätig zu sein, war die Kunstproduktion nur ein Nebenbei für sie. Der Keramik als Kunstform sei sie treu, doch spüre sie auch andere Medien auf, die für die künstlerische Umsetzung ihrer Themen geeigneter scheinen.
Ihre ersten künstlerischen Projekte schuf Frauke Bittner vor mehr als 10 Jahren, als sie im Rahmen der „regionale 08 - Orient und Okzident“ - ein zeitgenössisches spartenübergreifendes Kunstfestival, das damals die Region Feldbach bespielte - eine Ausstellung gestalten durfte. Ausstellungsort war der Sattelauflieger eines LKWs, in dem die Künstlerin „Einblick|Zwei Blicke“ zeigte. „Ich habe mich lange mit dem Thema Esskulturen und insbesondere Tischgemeinschaften beschäftigt“, schildert sie die Grundidee. Ganz nach dem Motto des Festivals „Orient und Okzident“ und mit der Überlegung, dass eine gemeinsame Mahlzeit verbindet oder anders, dass sich Familienstrukturen am Esstisch widerspiegeln, porträtierte sie drei österreichische und zwei türkische Familien in Feldbach bei ihren Mahlzeiten. Die dabei entstandenen Fotografien, Kipp- und Suchbilder fordern den Betrachter auf - durch die Perspektive der Aufnahmen -, ins Detail zu gehen. So sitzen beispielsweise die österreichischen Familien am Tisch, während sich die Familien mit Migrationshintergrund am Teppich rund um den Tisch versammeln.
Es sind Alltagsthemen, die die Künstlerin beschäftigen oder berühren. Findet sie ein Thema, folgt eine Phase gleich einer Projektentwicklung, in der sie recherchiert, liest und sammelt. Und daraus formiert sich das Kunstwerk ganz klar in ihrem Kopf. Frauke Bittner war in der oststeirischen Ortschaft Pischelsdorf "Artist in Residence"; dort beschäftigte sie das Thema „Nahversorger oder sterbende Ortszentren“. Da der Weg in den Ortskern von Pischelsdorf auf sie wie ein Hauseingang wirkte, gestaltete sie einen Segensspruch, den sie als Graffiti auf den Boden sprayte: „Tritt ein, bring Glück herein.“ Jeder Ortsbesucher ist somit nicht nur willkommener Gast, sondern auch partizipatives Mitglied des Ortskerns. In Pischelsdorf gestaltete sie auch ihre erste Arbeit mit LED-Lampen, eine Hinweistafel, die in den Ort zeigte und auf der abwechselnd „Fort“ bzw. „ort“ aufleuchtete.
Die Materialien, mit denen Frauke Bittner arbeitet, ergeben sich aus den Themen - sie probiert dabei gerne auch Neues aus. Im Moment beschäftigt sie die Überlegung, das Skulpturale in einer Fotografie zu verstärken: „Wie bringe ich in ein Bild mehr Materialität?“ Aber auch Themen wie Artenvielfalt in Verbindung mit dem Bienensterben oder Virtualität sind in ihrem Fokus.
Das KUNSTRAUM STEIERMARK-Stipendium ist für die Künstlerin ein „unglaubliches Geschenk“. Daheim habe sie eine Garage, die ihr jahrelang als Abstell- und Sammelraum für ihr bisheriges Leben gedient habe. Doch nun möchte sie daraus ein Atelier und einen Ausstellungsraum gestalten. Mit dem Entrümpeln der Garage wird sie daher ihr altes Leben loslassen und sich nunmehr ganz der Kunst widmen.
Kurzbio Frauke Bittner
Geboren 1973 in Köln, absolvierte den Lehrgang „Ästhetische Spurensuche“ an der Pädagogischen Hochschule in Graz. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Graz und schloss 2018 die Meisterschule für Kunst & Gestaltung im Fach „Keramische Formgebung“ an der Grazer Ortweinschule ab.
Aus der Publikation zu den Landes-Kunst- und -Kulturpreisen 2019
Herbst 2019