Es ist ein ewiges Herantasten
Die Bildhauerin Anita Leisz erhält den Würdigungspreis für Bildende Kunst des Landes Steiermark 2020. Ein Interview
Herzliche Gratulation zum Würdigungspreis für bildende Kunst des Landes Steiermark. Der Preis wird laut Statut an „eine Persönlichkeit vergeben, die ein ausgezeichnetes künstlerisches Gesamtschaffen" vorweisen kann. Neben dem Preisgeld wird auch eine Personalausstellung im Künstlerhaus - Halle für Kunst und Medien ausgerichtet. Wird das die erste große Personale in der Steiermark für Sie sein?
Vielen Dank und ja, das wird die erste Einzelausstellung - voraussichtlich Ende 2021.
Die Jury begründet ihre Entscheidung so: „Anita Leisz‘ Malereien, Skulpturen und Installationen sind durch ihre Ambivalenz als Werke zwischen Industrieproduktion und individueller Fertigung charakterisiert. Baumaterialien wie z. B. verschiedene Formen von Faserplatten, Metalle oder Bleche werden präzise und aufwendig bearbeitet und in Bezug zu Räumen und BetrachterInnen gebracht. Ästhetisch der Minimal Art, aber auch der gegenstandslosen Malerei nahe stehend, zeigt die Künstlerin punktgenaue und unmittelbare Setzungen. Kratzer und Schrammen in der Oberfläche sind malerische Eingriffe, die die Wahrnehmung herausfordern. Die Kunst von Anita Leisz ist sensibel wie kraftvoll, körperlich wie illusionistisch - stets aktuell, doch kein Mainstream. Der subtile Umgang mit Material und Form ergänzt sich durch das konsequente Denken und Wissen um Gegenwart." Finden Sie Ihre Arbeit, Ihre künstlerischen Absichten gut beschrieben?
Der Text muss auf wenigen Zeilen einer breiten Öffentlichkeit ein Bild/Relevanz vermitteln und dabei eine Entscheidung begründen - das macht er doch gut.
Ihre Arbeiten spielen mit dem „Sichtbar machen" von vermeintlich Lapidarem, auch mit dem Überraschen. Kunstwerke definieren den Raum, in dem sie platziert sind und schärfen so den Blick der BetrachterIn. Sind diese Beobachtungen richtig?
Ausstellungsräume erfüllen eine verlässliche Bedingung, wer sie betritt, ist bereit, sich mit Kunst zu beschäftigen. Das hilft mir. Ich kann darauf nicht nur aufbauen, ich kann es strapazieren.
Ich habe die Wahrnehmung, dass Sie Orte mit ihrer Kunst dominieren, in Besitz nehmen, indem sie planvoll mit diesen eins werden - Maßarbeit.
Ihre Frage bezieht sich, denke ich, auf die eine oder andere Einzelausstellung, wie zum Beispiel in der Galerie Meyer Kainer 2016, wo das, was Sie andeuten, mit großer Lust betrieben und übertrieben wurde. Doch ich würde Ausstellungen zu zweit oder in der Gruppe nicht missen wollen - sie bringen neben dem Raum und den BesucherInnen
auch noch die Verhältnisse zwischen den Arbeiten und die Arbeitsweisen ins Spiel. Aufregend ist die Ausstellung zu zweit, da oft eigentlich zwei Einzelausstellungen parallel nebeneinander konzipiert werden und in einer münden.
Installieren Sie diese selbst?
Ja, sehr gerne. Beim Aufbau passiert sehr viel - in der Werkstatt, wo die einzelnen Arbeiten entwickelt werden, arbeite ich allein, beim Ausstellungsaufbau gerne zu mehrt - mit KollegInnen oder KuratorInnen.
Wie entstehen Ihre Werke, wann entscheiden Sie über Form und Materialität? Wann kommt der Ort (als Display?) zu tragen?
Im Wesentlichen gibt zwei Arbeitsorte. Der Ausstellungsraum und meine Werkstatt. Sie ist ein ca. 15 Meter langer und sechs Meter breiter Raum, der selbst am Tag die volle Neonbeleuchtung benötigt. Es gibt eine Schauwand, die von meinem Sitzplatz zehn Meter entfernt ist. Damit lässt sich das Aussehen eines Objektes sowohl von der Ferne als auch von Nähe ganz gut überprüfen. Ich denke, würde ich in einem anderen Raum arbeiten, würden die Arbeiten wahrscheinlich auch anders aussehen. Ich verlängere meinen Vertrag alle drei Jahre, und ich rechne immer damit, dass sich meine Arbeitsbedingungen ändern könnten. Dem sehe ich mit Furcht, aber auch mit Freude entgegen.
Wie kann man sich das vorstellen, wenn Ihre Werke in einem anderen Kontext gezeigt werden?
Sie meinen, wenn eine Arbeit verkauft wird oder ich nicht beim Ausstellungsaufbau dabei bin?
Genau.
Dann sind sie aus meiner Hand, und das ist gut. Wenn einige Arbeiten etwas unterhalb der Bildmitte hängen oder höher, und diese Höhen wichtig sind, liegt dem Werk-Paket eine entsprechende Notiz bei. Auch Pflege und Reinigungshinweise können auf einem solchen zum Zertifikat gehörenden Zettel stehen. Manche Arbeiten können ja geputzt werden - für andere wäre das kritisch. Aber das entfernt sich von Ihrer Frage. Es ist auch schön, sich nicht mehr einzumischen.
Ihre Werke sind nah und fern zugleich. Sie muten fast auratisch an. Hängt das mit ihrer Materialität zusammen?
Nein, mit Interpretation (lacht).
Manche Ihrer Werke changieren zwischen Malerei und Skulptur, andere sind fragmentiert. Können Sie Ihren Arbeitsprozess beschreiben?
Ein ewiges Herantasten. Ich habe keine vorgefassten Pläne, was den Produktionsprozess wesentlich macht. Es wird etwas aufgebaut, und die Veränderungen werden beobachtet.
Es ist kein Zufall, wenn sich manche Objekte der Definition entziehen, sich nicht dingfest machen lassen, flüchtig bleiben. - Einem Bretterl solche Wesenseigenschaften zu verpassen, ist freilich sportlich. Doch es sind solche Stellen, an denen gearbeitet wird; es sind Grundfragen, die mich beschäftigen.
Wie stoßen Sie auf Materialien? Was interessiert Sie daran?
Vieles kommt aus dem Innenausbau. Ich habe mit Materialien zu arbeiten begonnen, die die gleichen sind, die wir für unsere Wohnungen, unsere Lebens- und Arbeitsräume verwenden, und baue diese stetig aus. Meist sind es Halbfabrikate, die etwa, um ein Beispiel zu nennen, für eine finale Lackierung industriell vorbereitet sind. Es sind nicht zu teure, aber auch keine billigen Werkstoffe.
Wenn man in Ihrer Biografie liest, wo Sie überall ausgestellt und gearbeitet haben (mumok, Belvedere 21, Kunsthalle Bern ...), so ist das eine Erfolgsgeschichte. Was ist Erfolg für Sie persönlich?
Ich habe mittlerweile eine bestimmte Übung und ich kann mich auf ein paar Sachen verlassen. Wenn, um etwas herauszufinden, es dann doch mit der Zeit knapp wird - will ich es oft trotzdem. Wenn das dann tatsächlich gut geht, ist das ein sehr schöner Moment.
Sie sind in Leoben aufgewachsen. Möchten Sie ein wenig über Ihre Kindheit und Jugend in der Steiermark erzählen?
Heute lieber nicht.
Was war zu dieser Zeit prägend für Ihren Weg als Künstlerin?
Schulen.
Haben Sie eine einschlägige Ausbildung genossen?
Ja, ich ging an die Ortweinschule in Graz. Eine tolle Schule. Ich entschied mich nach dem ersten Jahr, in dem alle Abteilungen durchlaufen werden, für die Fachrichtung Bildhauerei. Mit achtzehn ging ich nach Wien an die Akademie, ebenfalls in die Bildhauerei.
Was raten Sie einem jungen Menschen, der sich einem künstlerischen Beruf zuwenden will?
Nur zu! An eine entsprechende Schule/Uni zu kommen, ist bestimmt von Vorteil, weil ein solcher Ort einem die Zeit legitimiert, sich mit etwas beschäftigen und etwas entwickeln zu können - und, vielleicht noch wichtiger, dass das In-Kontakt-Kommen mit anderen, die sich mit dem Gleichen beschäftigen oder beschäftigen wollen, ermöglicht wird. - Aber ... es gibt viele Wege.
Interview aus der Broschüre zu den steirischen Landes-Kunst- und -Kulturpreisen 2020
Kurzbio Anita Leisz
Geboren 1973 in Leoben, nach ihrem Abschluss an der Grazer Ortweinschule studierte sie an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Franz Xaver Ölzant und Michelangelo Pistoletto. Einzelausstellungen fanden unter anderen im Belvedere 21, Wien; mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig, Wien; Kunstverein Ludwigsburg; im Salzburger Kunstverein; sowie in der Secession, Wien statt. Ihre Werke wurden unter anderem gezeigt im; Kunsthaus Bregenz; Haus der Kunst München; Kunstverein Nürnberg sowie im Kunstverein Hamburg. 2019 wurde ihr der Kapsch Contemporary Art Prize verliehen. Die Künstlerin wird von der Galerie Meyer Kainer, Wien; Norma Mangione, Turin; und Lars Friedrich, Berlin, vertreten.
Zum Archiveintrag der Ausstellung von Anita Leisz in der Kunsthalle Graz


