Eine natürlich gewachsene Rebellin
Astrid Hirzberger (27) veröffentlicht unter ihrem Künstlernamen Fraeulein Astrid seit 2018 eigene Songs.
Aufgewachsen ist sie in Frohnleiten, nach dem Besuch des Musikgymnasiums in Graz studierte sie ebendort Lehramt Musik. Seit dem Abbruch des Studiums trat sie als Musikerin in Erscheinung, im Frühjahr 2024 veröffentlichte sie ihre erste EP "My therapist says you're an asshole". Hirzberger lebt mittlerweile in Wien. Das Preisgeld für den ihr 2024 zugesprochenen "Morgenstern"-Preis will sie in ihr erstes Album investieren.
Die Wahl des Künstlerinnennamens ist eine weitreichende Entscheidung: Wie kam es zu "Fraeulein Astrid"?
Astrid Hirzberger: Ich würde ja gern eine super dramatische, durchdachte Geschichte erzählen, aber das ist sie leider nicht. Als ich vor vielen Jahren auf der Suche nach einem neuen Instagram-Namen war, weil ich dort nicht mehr unter meinem Klarnamen auftreten wollte, hat mir ein Freund "Fraeulein Astrid" vorgeschlagen. Als ich später begonnen habe, Musik zu veröffentlichen, lag es auf der Hand, diesen Künstlerinnennamen zu wählen, weil ich mich damit schon identifiziert hatte. Erst dann ist mir bewusst geworden, dass es vielleicht eine leicht rebellische Entscheidung war, das Wort "Fräulein" zu verwenden, weil es ein Begriff ist, der aus der Mode gekommen ist und wenn überhaupt in eher nicht so coolen Kontexten verwendet wird. Dabei ist die Grundbedeutung von "Fräulein" ja eigentlich schön: Es hat so etwas Niedliches und Liebliches und irgendwie Elegantes. Und ich finde den Kontrast cool, weil ich mich in meinen Songs und auf der Bühne über sexistische Sachen total aufrege.
Apropos Instagram: Du hast deine Musik schon früh auf YouTube gestellt und auf Instagram nicht nur Einblicke in deine Arbeit, sondern auch dein Privatleben gegeben. Welche Rolle hat diese starke Social-Media-Präsenz für deine bisherige Karriere gespielt?
Eine enorme Rolle, weil YouTube und Instagram Plattformen sind, die man gratis nutzen kann. Besonders als Künstlerin in den Startlöchern, wo man noch kein Budget hat, um eine Promo-Agentur zu beschäftigen, ist das eine enorm coole Möglichkeit, die Musik nach außen zu bringen und direkt mit den Leuten zu kommunizieren. Diese Kanäle sind bei mir über die Jahre natürlich gewachsen, da ich mich während der Schulzeit mit Mode beschäftigt und angefangen habe, Fotos online zu teilen und über mich zu schreiben. Im Laufe der Jahre ist die Musik immer mehr in den Vordergrund gerückt. Und so war alles, was ich auf Social Media gemacht habe, ganz natürlich und nicht erzwungen, nur weil ich plötzlich schnell bekannt werden wollte.
Du stammst aus Frohnleiten, wo du jahrelang bei den Frohnleitner Spatzen gesungen hast, mit denen du auch deine Song "r u really ok" aufgenommen hast. Wann war dir klar, dass die Musik in deinem Leben eine prägende Rolle spielen wird?
Dass Musik an sich meins ist, war mir schon immer klar, weil es mir meine Familie vorgelebt hat. Ich bin sehr dankbar, dass meine Eltern mich in die musikalische Früherziehung geschickt haben und ich klassischen Klavierunterricht nehmen konnte. Im Musikgymnasium in Graz war ich dann in der Schulband und so hat eins zum anderen geführt. Musik war also immer schon da und sehr wichtig. Schon als Kind habe ich Zeichnungen gemacht, bei denen ich auf der Bühne stehe oder Musik mache. In welcher Form das sein würde - ob als Musicaldarstellerin oder als Teil eines Projekts -, wusste ich damals noch nicht, aber spätestens im Studium (Lehramt Musik) hat sich herauskristallisiert, dass ich meine eigenen Songs schreiben will. Und ich hatte mit meinen beiden Professor*innen an der Uni ein enormes Glück, weil ich die Klassik zwar sehr gerne mag, sie aber nicht zu 100 Prozent verkörpere. Das haben sie verstanden und respektiert. Mein Klavierprofessor war dann die erste Person, der ich meine eigenen Kompositionen gezeigt habe. Er hat mich sehr unterstützt und gleich vorgeschlagen, das bei der nächsten Vorspielstunde zu spielen. Ohne meinen Klavierprofessor gäbe es das Projekt "Fraeulein Astrid" glaube ich gar nicht.
Wie kam es dann zu den ersten Veröffentlichungen?
Nach den Vorspielstunden bekam ich immer mehr positive Rückmeldungen und habe parallel auch auf Instagram immer wieder kurze Ausschnitte - etwa von Covers - veröffentlicht. Ende 2017, als ich dann meinen ersten Laptop mit einer DAW (Digital Audio Workstation) hatte, habe ich angefangen, Songs selbst aufzunehmen. Im Frühjahr 2018 habe ich dann schon den ersten Song auf YouTube hochgeladen. Dann ist es sehr schnell gegangen, weil ich dachte: Hey, das finde ich cool. Und ich habe mir nicht so viel Kopf gemacht, ob das die Leute jetzt mögen werden oder nicht.
Du bist in Graz gut vernetzt, bist auf so gut wie allen Bühnen gestanden: Was macht die Grazer Szene aus?
Die Oper fehlt noch (lacht) ... Zur Szene muss ich sagen: Wenn in Graz irgendwo eine neue Musikerin, ein Musiker auftaucht, dann bekommt man das schnell mit. Und meiner Meinung nach unterstützen sich die Leute enorm gegenseitig. Als ich zum Beispiel auf der Suche nach Support-Acts für meine Release-Show meiner EP "My therapist says you're an asshole" war, wusste ich sofort, dass ich drei Musiker*innen aus Graz eine Bühne geben will. Auch wenn jemand einen neuen Song rausbringt, wird der in der Szene gleich geteilt. Ich selbst habe zum Beispiel auf Spotify eine eigene Graz-Playlist mit Grazer Künstler*innen und Bands. Diese intensive Vernetzung ist in größeren Städten kaum möglich, weil es einfach so viel gibt.
Du bist im Herbst 2022 nach Wien gegangen ...
Ich habe tatsächlich immer gesagt, ich werde nie nach Wien ziehen, ich mag Wien nicht. Ich liebe Graz über alles und die Stadt ist einfach so schön. Aber ich bin dort als Musikerin irgendwann gefühlt an meine Grenzen gestoßen. Und irgendwann sollte man sich ja auch aus seiner Komfortzone, seiner Bubble ein bisschen raustrauen und sich selbst challengen und schauen, was noch geht. Zu der Zeit hatte ich gerade mein Studium abgebrochen und auch mein Partner hat überlegt, nach Wien zu gehen - also haben wir es probiert. Es war eine recht entspannte Entscheidung und jetzt schaue ich halt, was sich so ergibt.
Du singst auf Englisch. War das eine kommerzielle oder eine emotionale Entscheidung?
Es war einfach so, dass ich Gedanken schon immer auf Englisch niedergeschrieben habe. Das hat bereits in der Schulzeit angefangen. Ich glaube das kommt, weil ich extrem viel englische Musik und Filme konsumiert habe. Auch hat man beim Schreiben durch das Englische eine gewisse Distanz im Gegensatz zur Muttersprache. Und beim Schreiben auf Deutsch ist man auch irgendwie viel strenger mit sich selbst. Aber es besteht schon länger der Wunsch, Sachen auf Deutsch zu schreiben und ich habe auch tatsächlich schon ein paar Songs, sie sind nur nicht veröffentlicht und ich weiß auch nicht genau, wo ich sie einordnen und was ich jetzt aus denen machen möchte. Auf Englisch zu singen - das ist auch irgendwie ein Widerspruch zu meinem Künstlernamen, der ja Deutsch ist.
Deine Songs sind sehr persönlich, handeln immer wieder von Beziehungen. Auf deiner EP "My therapist says you're an asshole" hast du nun Stücke aus mehreren Jahren versammelt. Das muss ja eine ziemliche emotionale Reise gewesen sein. Wie war das für dich?
Sehr schön und auch ein bisschen ein Abschluss. Wenn man Songs so viele Jahre mit sich herumträgt, vielleicht auch immer wieder an ihnen herumarbeitet, ist es gut, sie auch einmal loszulassen. Bei emotionalen Songs wie "Expected End" ist das Lied für mich inzwischen wie eine schöne Postkarte, oder ein Zeitstempel, eine Erinnerung an damals. Für mich ist die EP mit ihren Songs aus verschiedenen Zeiten ein schöner Bogen.
Der "Morgenstern"-Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. Ein Ansporn für den ersten Longplayer?
Die 10.000 Euro werden fast zu 100 Prozent in mein erstes Album fließen. Aber ich will auch mit meinen Eltern schick essen gehen, weil ich es meiner Mama zu verdanken habe, dass ich mich wieder für den Morgensteinpreis beworben habe, weil sie mich vor ein paar Monaten darauf aufmerksam gemacht hat. Und das würde ich ihr gerne als Dankeschön zurückgeben.
https://fraeuleinastrid.blogspot.com/
Sonja Harter
September 2024