Kreative und originelle Werke schaffen
Ein Gespräch mit der in Graz lebenden Komponistin Soyeon Park
Wie war deine erste Reaktion, als du vom Andrzej-Dobrowolski-Kompositionsstipendium erfahren hast?
Soyeon Park: Ich war sehr überrascht und auch glücklich darüber. Es ist eine große Ehre und Anerkennung meiner Arbeit als Komponistin. Ich bin sehr dankbar und fühle mich motiviert, noch härter zu arbeiten und meine Fähigkeiten weiterzuentwickeln.
Was hast du mit dem Stipendium vor? Welche Pläne?
Ich plane, das Stipendium zu nutzen, um meine Kompositionsarbeit voranzutreiben und neue Musikstücke zu schreiben. Ich möchte auch meine Fähigkeiten als Komponistin weiter verbessern, darüber hinaus möchte ich auch meine Musik bei verschiedenen Konzerten und Festivals präsentieren.
Du hast zuerst Komposition studiert und studierst jetzt Jazzkomposition und Arrangement. Wie wirkt sich das auf deine Arbeit als Komponistin aus?
Das Jazzstudium hat mir geholfen, meinen musikalischen Horizont zu erweitern und neue Techniken und Stile zu erlernen, was sich positiv auf meine Arbeit als Komponistin auswirkt. Durch die Zusammenarbeit mit Big Bands habe ich auch gelernt, wie man mit Musiker*innen kommuniziert. Ich lerne durch das unmittelbare Feedback bei den Proben. Diese Erfahrungen dienen mir als Nahrung, um verschiedene Musikgenres, einschließlich Jazz, in meine Arbeit zu integrieren und meine Musik einzigartiger und vielfältiger zu gestalten.
Wie komponierst du? Woher nimmst du die Ideen?
Ich beginne normalerweise mit einer Idee oder einem Konzept, die ich in Musik umsetzen möchte. Sie fallen meist nicht aus dem Nichts, sondern sind lange abstrakt im Kopf vorhanden, irgendwann beginnen sie zu wachsen und Gestalt anzunehmen. Wenn eine Idee mein Interesse weckt, bringe ich sie an meine Werkbank. Die Ideen kommen meist aus trivialen Alltagserfahrungen und -beobachtungen. Jeder dort festgehaltene Moment hat immer das Potenzial, zum Motivkeim meiner Arbeit zu werden. Ich interessiere mich auch für überholte Objekte oder Trends aus der Vergangenheit: Alle Objekte sind an eine bestimmte Epoche gebunden, und ihre Lebensdauer endet, wenn eine bessere Alternative gefunden wird. Mich fasziniert jedoch sehr, eine komplexe Zeitlichkeit dazwischen zu schaffen, indem ich Dinge aus der Vergangenheit zurück in die Gegenwart bringe.
Welche Themen interessieren dich dabei?
Ich bin besonders an alltäglichen Situationen, Nostalgie, Klischees und Kitsch interessiert. Ich finde, dass diese Themen eine Verbindung mit vielen Menschen haben und es mir ermöglichen, eine empathische Reaktion bei den Zuhörer*innen zu erzeugen. Ich möchte damit auch sagen, dass Kunst etwas sein kann, das über den Alltag erlebt wird, und kein übergeordnetes Konzept, das schwer zu verstehen ist.
Inwiefern haben unterschiedliche Kulturen hier ihre Wirkung auf dich? Ich spiele darauf an, dass du in Südkorea aufgewachsen bist und nun in Graz lebst.
Ich bin 2014 nach Deutschland gezogen und lebe seit 2016 in Graz. Meine Generation ist durch das Internet und die Medien bereits mit kulturellen Inhalten aus verschiedenen Ländern konfrontiert, sodass ich bei meiner Ankunft in Europa keinen großen kulturellen Schock erlebte. Erhebliche Unterschiede gibt es in der Musikszene zwischen Korea und Europa. Hier erlebe ich eine breitere Palette zeitgenössischer Musik und fühle mich viel mehr inmitten einer lebendigen Szene. Durch den Austausch mit Studierenden unterschiedlicher Länder verstehe ich kulturelle Vielfalt und höre verschiedene Perspektiven zu Musik, Lebensstil und sozialen Themen. Letztendlich scheinen diese vielfältigen Stimmen indirekt auch meine Kompositionsarbeit zu beeinflussen.
Wie gehst du an die Instrumentierung heran?
Ich neige dazu, bei der Instrumentierung sowohl das technische Gleichgewicht als auch neue Experimente in Betracht zu ziehen. Wenn beispielsweise tiefe und hohe Instrumente im mittleren Bereich zusammenspielen, werden die Klänge von jedem Instrument völlig unterschiedliche Energien erzeugen. Daher möchte ich Wege zu finden, um die Klangfarbe inklusive Energieaspekt vielfältiger auszudrücken. In der Instrumentation sind verschiedene kreative Experimente und Versuche auch mit Synthesizern und elektronischer Musik möglich, um neue Klangfarben zu schaffen. Ich denke gerne darüber nach, wie ich durch Vorstellungskraft und experimentelles Herangehen neuen musikalischen Ausdruck erzeugen kann.
In der Jurybegründung steht über dich: „Ein Fokus ihrer Arbeit liegt auf der Verbindung von akustischen und visuellen Materialien. Dabei ersetzt sie Materialien, die nicht aus der Musik kommen, in eine musikalische Sprache." Kannst du bitte erklären, was das bedeutet?
Gerne! Ich untersuche, wie visuelle Reize, die Bewegungen der Musiker*innen, das Bühnenlayout und das Licht die musikalische Darstellung beeinflussen und übersetze dies in eine musikalische Sprache. Zum Beispiel kann man durch die Kombination von Gesten der Musiker*innen und musikalischem Material die Grenzen der musikalischen Darstellung erweitern oder durch visuelle Effekte wie Licht oder Videos filmische Effekte in der Musik erzeugen. Die Aufgabe, diese auditiven und visuellen Materialien zu kategorisieren und kombinieren, spielt eine wichtige Rolle dabei, die Grenzen des Klangs in meiner Arbeit zu erweitern und den Umfang der künstlerischen Ausdrucksweise zu erweitern.
Du hast schon sehr früh begonnen Geige und Klavier zu spielen. Welche Rolle spielen diese Instrumente jetzt in deinem musikalischen Leben?
Ja, ich habe seit meiner Kindheit Geige und Klavier gespielt. Ich spiele immer noch Klavier, Geige nur in besonderen Fällen. Beide Instrumente zu lernen, hat mein musikalisches Leben stark beeinflusst. Insbesondere verwende ich die Geige, um verschiedene Spieltechniken und Klangfarben auszuprobieren, wenn ich Musik mit Streichinstrumenten komponiere. Dies hilft mir, meine abstrakten Vorstellungen von Klang in konkrete Formen zu bringen. Meine Erfahrung als Instrumentalistin zwingt mich dazu, bei der Komposition auch die Perspektive des Spielers zu berücksichtigen. Wenn ich mich zu sehr auf die Sichtweise der Komponistin konzentriere, kann es sein, dass bestimmte Stellen für den Spieler unbequem zu spielen sind. Die Berücksichtigung der Perspektive der Intonation und der Spielbarkeit der Musik beim Komponieren führt zu erheblichen Verbesserungen in der Klangqualität während der Aufführung.
Wenn du einen Kompositionsauftrag bekommen würdest, der in allem frei ist - finanziell, Größe, Besetzung, Länge, Aufführungsort etc. - was würdest du komponieren?
Wenn ich einen Kompositionsauftrag ohne Einschränkungen erhalten würde, dann würde ich gerne eine Multimedia-Oper komponieren, die verschiedene Kunstformen wie Musik, Theater und Tanz usw. kombiniert. Ich möchte gemeinsam mit Expert*innen aus verschiedenen Kunstbereichen arbeiten, um Grenzen zu überwinden und kreative und originelle Werke zu schaffen. Außerdem möchte ich auch Multimedia-Elemente nutzen, um neue Erfahrungen für das Publikum zu schaffen und verschiedene Genres und Stile zu verschmelzen. Die Arbeit an einem solchen Projekt kann sehr herausfordernd und komplex sein, ich möchte die Möglichkeit erkunden, neue Formen der Kunst zu schaffen und wie ich dem Publikum eine fantasievolle Erfahrung bieten kann.
Wie schaut es mit Zukunftsplänen aus?
Mein Zukunftsplan ist es, als Erwerbskomponistin in Europa zu leben. Das wird eine große Herausforderung für mich sein. Ich erwarte, dass ich dadurch neue Umgebungen und Kulturen erleben und Inspiration für meine kreative Arbeit gewinnen werde. Dafür werde ich mich weiterhin auf die Komposition von Werken konzentrieren und mich bemühen,
verschiedene Aufführungsmöglichkeiten zu finden, um meine Musik zu verbreiten.
Kurzbio Soyeon Park
Geboren 1989 in Seoul. Klavierunterricht ab dem dritten Lebensjahr, Geigenunterricht ab dem fünften. Von 2009 bis 2014 studierte sie Komposition an der Ewha Womans University in Südkorea. Danach war sie Gaststudentin an der Hochschule fr Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy" in Leipzig. Seit 2016 führt sie ihre Studien an der Kunstuniversität Graz weiter.
Petra Sieder-Grabner
September 2022