Upcycling für eine bessere Zukunft
Die Mode-Designerin Vanessa Schreiner im Gespräch
Das Land Steiermark Kultur vergibt heuer das erste Mal zwei Förderungspreise für steirische Absolvent*innen der Universität für angewandte Kunst. Du bist eine der ersten Preisträgerinnen. Was bedeutet dieser Preis für dich?
Vanessa Schreiner: Der Förderpreis und die steirische Trophäe MELA sind für mich eine große Ehre, und ich freue mich, dass meine Liebe für Mode & Upcycling auch von anderen Menschen gesehen und geschätzt wird. Den Preis empfinde ich als eine große Motivation für zukünftige Projekte.
Hat dein künstlerischer Lebensweg in der Steiermark begonnen? Was hat dich dazu gebracht?
Ich bin in der Steiermark aufgewachsen und war als Kind viel bei meiner Oma, die von der Nachkriegszeit stark geprägt war. Dinge wurden geschätzt und wiederverwendet, auch Geschirrhangerln oder alte Kleidung. Meine Mutter nähte jahrelang ihre eigenen Kleider, und meine andere Oma war Herrenschneiderin, also war bereits früh das Interesse für Mode da. Seit 2020 setze ich mich bewusst mit Upcycling auseinander, da sich darin meine Bewunderung für die Vergangenheit, aber genauso die Sehnsucht nach einer besseren Zukunft spiegelt. Ich wünsche mir noch viel mehr Nachhaltigkeit in der Mode!
Bitte erzähle etwas von deiner künstlerischen Praxis.
Ein wichtiger Teil meines Arbeitsalltages ist es, auf Flohmärkten, in Secondhandshops und auf diversen Gebrauchtwaren-Onlineplattformen nach interessanten Regen-, Sonnen-, Flanierschirmen zu suchen. In meinem Entwurfsprozess experimentiere ich auf verschiedene Weise mit dem Design von Regenschirmen. Ich lasse mich von der allgemeinen Funktion, der 3D-Form und der Form des Textils inspirieren, die entsteht, wenn man die Metallteile entfernt und einzelne Nähte aufschneidet. Ich zeichne nicht gern, also drapiere ich meist an einem Mannequin, um interessante Silhouetten und Details zu finden.
Gibt es für dich bestimmte künstlerische Vorbilder, Idole?
Eigentlich nicht, aber Martin Margielas Kollektionen aus den 90er-Jahren schaue ich mir regelmäßig an, da ich seinen Zugang zu Konzept & Mode sehr schätze.
Was sind deine nächsten professionellen Schritte bzw. wie stellst du dir künftig dein Arbeitsleben vor?
Momentan habe ich ein bisschen Zeit, um zu überlegen, was ich will. Das wirft natürlich auch Fragen auf: Warum mache ich Mode? Warum braucht die Welt ausgerechnet meine Mode? Was kann ich am besten? Was mache ich anders? Die Antwort ist: Upcycling. Ich versuche Regenschirme, die kaputt sind oder nicht mehr gebraucht werden, in neue Kleidungsstücke zu verwandeln. Dadurch brauche ich keine neu produzierten Ressourcen, und ich gebe Textilien eine zweite Chance.
Stellst du es dir schwierig vor, deinen Lebensunterhalt nur durch deine künstlerische Tätigkeit zu finanzieren?
Ja! Ich denke am Anfang ist es ist für jede/n Künstler/in schwierig, von der künstlerischen Arbeit zu leben. Viele Prozesse müssen erst optimiert werden, wie in meinem Fall zum Beispiel das Anschaffen meiner Ressourcen: Regenschirme. Ein motiviertes Team zu finden, das an die Idee glaubt, ist auch sicher eine Herausforderung. Aber heute kann man als Designerin über Social Media vieles aus eigener Kraft erreichen.
Kurzbio Vanessa Schreiner
Geboren 1993 in Leoben hat 2021 die Modeklasse an der Universität für Angewandte Kunst abgeschlossen. Schreiner arbeitet selbständig als Modedesignerin in Wien.
Petra Sieder-Grabner
September 2021