Eine lebende Urne, Pilze und Myzele
Ein Gespräch mit dem Künstler Dominik Einfalt
„Troost - lebende Erinnerung" ist der Titel Ihrer Masterarbeit. Worum geht es da? Vielleicht können Sie das in kurzen Worten für unsere Leser*innen beschreiben?
Ohne Tod gibt es kein Leben, und jeder Mensch ist früher oder später mit dem eigenen Ableben konfrontiert, jedoch sind das Verwelken und der Tod nicht das Ende, sondern können der Anfang von neuem Wachstum sein. „Troost - lebende Erinnerung" ist eine Alternative zu den bisherigen Bestattungsmethoden und stellt nicht den Tod, sondern das Leben und den Lebenskreislauf in den Mittelpunkt. Der biologische Lebenszyklus und dessen Transformationen sind für jede Lebensform gleich, und auch wir Menschen sollten uns dieser integrierten Rolle in der Natur bewusst werden. Das Projekt ist eine Urne, welche sich selbst und die Asche in ihr zur Gänze in Leben, in Form von Pilzen, transformieren kann und somit die materiellen Reste der verstorbenen Person zurück in den Lebenskreislauf bringt. Diese neue Bestattungsform soll nicht nur eine Alternative zu den herkömmlichen Möglichkeiten bieten, sondern auch die eigene Position im Lebenskreislauf sichtbar machen und zu Gedanken darüber anregen.
Sie kommen aus Fernitz bei Graz. War ein kreativer Weg bereits in Ihrer Kindheit ablesbar und wie verlief Ihre künstlerische Sozialisierung? Spielte Ihre Heimat, der Großraum Graz, dabei eine besondere Rolle?
Aufgewachsen bin ich auf einem kleinen Bauernhof in der Steiermark, und dementsprechend war meine Kindheit immer sehr naturverbunden. Meine Eltern und mein Umfeld unterstützten mich stets bei meinen, vielleicht auf den ersten (und zweiten) Blick etwas eigentümlichen Ideen und ließen mir den Freiraum zum kreativen Arbeiten und Experimentieren. Dennoch war mein kreativer Weg nicht von Anfang an klar. Für lange Zeit - und auch noch immer - war und liegt der Fokus in meinem Leben auf den Naturwissenschaften. Meine ersten Schuljahre verbrachte ich im BRG Petersgasse, wo das Interesse an den Naturwissenschaften weiter geformt wurde. In dieser Zeit kristallisierte sich jedoch auch ein großes Interesse an Kunst und Design heraus, und so entschloss ich mich, diesem weiter nachzugehen und meine anschließenden Schuljahre an der HTBLVA Ortweinschule Graz zu absolvieren. Diese Jahre prägten mich massiv, und mein Interesse hin zur Kunst wurde intensiviert. Ich gewann nicht nur Wissen und Erfahrung, sondern auch den Drang, eigene künstlerische Projekte zu schaffen und mich weiterzubilden, was mich anschließend nach Wien führte, um an der Universität für angewandte Kunst mein Studium zu machen.
Haben Sie Beziehungen zur steirischen Kunstszene?
Leider zu wenig - ich kenne natürlich ein paar wenige steirische Künstlerinnen und Künstler, jedoch ist mein Netzwerk in der Steiermark relativ limitiert. Die Zeit in der Steiermark legte lediglich den Grundstein für mein künstlerisches Schaffen, und erst im Zuge meines Studiums in Wien begann ich aktiv, meine künstlerische Arbeit zu intensivieren. Dementsprechend bin ich in der Wiener Kunstszene zurzeit tiefer verwurzelt als in der steirischen. Das ist natürlich sehr schade, und ich würde definitiv gerne ein größeres Netzwerk auch in der Steiermark aufbauen.
Auf Ihrer Website liest man, dass Sie sich neben anderem mit „Bio Art" beschäftigen. Könnten Sie erzählen, was das ist?
Bio Art ist ein relativ neuer Bereich in der Kunst und umfasst ein breites Spektrum an Disziplinen. Das Besondere an Bio Art ist jedoch, dass man sich mit lebenden Organismen beschäftigt und das „Material", mit dem arbeitet, ist oft lebendig. Somit wird die Arbeit mit der Materie viel mehr zu einer Kollaboration - man muss auf die Bedürfnisse der Organismen eingehen und mit ihnen gemeinsam ein Werk schaffen. Bio Art bewegt sich oft zwischen Wissenschaft und Kunst, und häufig ergeben sich Kollaborationen aus Wissenschaftler*innen und Künstler*innen, um an einem Projekt gemeinsam zu arbeiten.
Studiert haben Sie Grafik Design. Wo fängt der Gestalter an und wo hört der Künstler auf? Sind das für Sie zwei verschiedene Welten oder geht alles ineinander? Oder ist das Gestalten grafischer Produkte einfach der Brotberuf?
Puh - sehr gute Frage und definitiv etwas, was ich für mich selbst noch nicht so klar zu definieren geschafft habe! An sich glaube ich, dass alle Welten ineinandergreifen. Nicht nur Design und Kunst beeinflussen sich gegenseitig stark, auch Welten wie Wissenschaft, Musik, Technik ... sind eng miteinander verknüpft. Meiner Ansicht nach hilft es auch wenig, Grenzen zwischen Disziplinen zu ziehen, da sie sich sowieso gegenseitig beeinflussen - ob man es nun bewusst wahrnimmt oder nicht. Dementsprechend glaube ich, dass wir alle sowohl Künstler*innen als auch Designer*innen, Autor*innen und auch Komponist*innen sind.
Trotzdem muss ich anmerken, dass mein Einkommen mit grafischen Produkten bisher konstanter ist, als jenes, welches ich mit freien künstlerischen Arbeiten erhalte. Ich bin bereits seit mehreren Jahren als Freelancer selbstständig und erhalte so ein regelmäßiges Einkommen, um mein Leben und auch mein freies künstlerisches Schaffen finanzieren zu können. Dennoch ist es für mich nicht einfach ein „Brotberuf" - ich designe gerne und tue dies auch mit Leidenschaft. Es sind zwei Leidenschaften, die gegenseitig voneinander profitieren können, und ich freue mich, beides ausleben zu können.
Welche Vorstellungen, welchen Lebensentwurf haben Sie für sich nach Beendigung Ihres Studiums?
Das ist eine oft gestellte Frage, seit ich mein Studium abgeschlossen habe! Ich habe es bisher noch nicht so klar definiert. Zum einen würde mich ein PhD-Studium zum Thema Artistic Research interessieren, da dies mein Interesse für Bio Art, Wissenschaft und Kunst auf einer sehr schönen Art und Weise kombiniert. Außerdem habe ich eine Freude am Lehren und an der Wissensvermittlung, und ein PhD-Studium würde eine Lehrstelle mit sich bringen. Zum anderen ist mein Diplomprojekt auf breites Interesse gestoßen, und ich werde mein künstlerisches Schaffen weiterhin in den Bereich Bio Art und hier vor allem auf die Arbeit mit Pilzen/Myzele lenken. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, aus meiner Diplomarbeit ein tatsächliches Produkt zu entwickeln.
Gibt es bereits neue Projekte, die man in naher Zukunft von Ihnen zu sehen bekommt? Was? Wo?
Zum einen werde ich die lebende Urne weiterentwickeln, zum anderen stehen andere Projekte an, welche ich in den kommenden Monaten weiter verfeinern werde, und demnächst werde ich auch auf der Vienna Design Week ausstellen.
Kurzbio Dominik Einfalt
Geboren in 1996 in Graz, aufgewachsen in Fernitz. Beschäftigt sich mit Bio Art, digitaler Kunst, künstlerische Recherche; Studium an der Universität für angewandte Kunst in Wien (Grafik Design bei Oliver Kartak).
Text aus der Publikation zu den
steirischen Kunst- und Kulturpreisen 2022