Technikorientierte Perspektiven in Frage stellen
Die Faszination für Lebendiges und Organisches führte Gea Kalkhof zur Kunst. 2024 wurde sie mit dem steirischen Förderpreis für Absolvent*innen der Angewandten ausgezeichnet.
Die 1998 geborene Künstlerin Gea Kalkhof wuchs auf einem Bauernhof im Süden der Steiermark auf und lebt heute in Wien. Ihr frühes Interesse am Lebendigen und Organischen führte sie zur Kunst, die sie an der Ortweinschule in Graz und weiterführend dann in der Klasse für Skulptur und Raum an der Universität für angewandte Kunst in Wien studierte. In ihrer künstlerischen Praxis arbeitet sie vorwiegend mit Stein, Metall und ungebranntem Lehm, wobei sie sich intensiv mit den Materialien auseinandersetzt. Ihre Skulpturen, die oft als autonome Gegenstücke zum menschlichen Körper wahrgenommen werden, entstehen in einem prozessorientierten Verfahren, welches konventionelle Methoden herausfordert und das Spannungsfeld zwischen Kunst und Handwerk neu verhandelt.
Das Land Steiermark Kultur vergibt heuer zum vierten Mal zwei Förderungspreise für steirische Absolvent*innen der Universität für angewandte Kunst. Was bedeutet dieser Preis für dich?
Ich habe mich wirklich sehr über den Preis und die Wertschätzung gefreut! Gerade für junge Kunstschaffende ist es von besonderer Bedeutung, gesehen zu werden. In diesem Sinne bin ich glücklich, schon direkt nach meinem Abschluss durch einen Förderungspreis ausgezeichnet zu werden.
Hat dein künstlerischer Lebensweg in der Steiermark begonnen?
Ich bin in der Steiermark geboren und aufgewachsen. Komplexität von Leben und unserer Welt, praktisches Arbeiten, Theorien, soziale und ökologische Aspekte sowie Naturwissenschaften haben mich schon früh begeistert. Seit ich mich erinnern kann, zeichne ich, sammle Steine und freue mich über Begegnungen mit verschiedensten Lebewesen, wie zum Beispiel Insekten. Ich beobachte meine Umgebung gerne sehr genau. Nach dem Gymnasium in Graz stand ich auch vor der Frage, ob ich mich nicht eher einem naturwissenschaftlichen Bereich widmen sollte, etwa der Chemie oder Biologie. Ich habe mich dann aber entschlossen, in Richtung Kunst zu gehen, da ich dort all meine Interessen einfließen lassen kann, ohne mich zu stark limitieren zu müssen. In meinen Entscheidungen bin ich immer von meiner Familie unterstützt worden: Dafür bin ich sehr dankbar.
Im Laufe der Zeit bin ich mit unterschiedlichen Materialien und Arbeitsweisen in Kontakt gekommen. Sei es im Kontext von Landwirtschaft mit Erde, Holz und Pflanzen oder auf diversen Baustellen, auch im privaten Rahmen, zum Beispiel beim Hausbau. Im Zuge meiner Ausbildung an der Ortweinschule in Graz, mit Fokus auf Bildhauerei und Restaurierung, durfte ich mir fachspezifisches theoretisches sowie technisches Wissen aneignen. Insofern hat mein künstlerisches Schaffen schon früh in der Steiermark begonnen. Die Einbettung in zeitgenössische Diskurse sowie kollektive als auch individuelle künstlerische Momente waren dann prägend für mich in der Klasse Skulptur und Raum auf der Universität für angewandte Kunst in Wien.
Wie gestaltest du deine künstlerische Praxis?
Kunst und Leben sind für mich stark verwoben, sie bedingen sich. Im bildhauerischen Kontext würde ich meinen Fokus im Moment auf drei Hauptmaterialien setzen: Stein, Metall und (ungebrannten) Lehm, mit dem ich auch die letzten Jahre immer wieder am Experimentieren bin. Mit diesem Werkstoff habe ich viel am Hof meiner Familie gearbeitet, an dem ich nach wie vor gerne Zeit verbringe. Lehm und andere natürliche Ressourcen, die ich manchmal in meinen Skulpturen verwende, kann ich in der Steiermark gut finden. Seit längerem habe ich auch eine Serie aus Wachs in Arbeit.
Wenn ich an einer neuen Skulptur arbeite, gibt es oft Überthemen, viele Aspekte und Gedanken sind aber mit eingeschrieben und intentionell nicht eindeutig lesbar. Generell will ich keine klaren Antworten und Lösungen anbieten, sondern eher Fragen stellen oder Themen anstoßen. Die Objekte selbst werden oft zu Entitäten, die sich dann mit den Betrachtenden im Ausstellungsraum befinden. Die Wahrnehmung und Geschichte der Menschen, die sich meine Kunst anschauen, ist wichtig, ich will ihnen nicht zu viel vorgeben.
Bei meiner Diplomarbeit lag der inhaltliche Fokus zum Beispiel auf unserem Bezug zur Erde und unserem Umgang damit - auch im Sinne des Hinterfragens einer sehr technikorientierten und weniger organischen Perspektive der Menschen auf die Welt. Ich habe versucht, in meiner Arbeit konstruktiv auf diesen technologischen Blick zu antworten. Für mich stellen dieser Blick und die daraus folgenden Handlungen übrigens auch das Hauptproblem des Klimawandels dar.
Ich mag den Dialog zwischen Mensch und Material, der Prozess spielt in den meisten meiner Arbeiten auch eine wichtige Rolle. Der Körper, in diesem Fall mein Körper, ist maßgeblich für die Erstellung mancher meiner Arbeiten. Das sehe ich auch als stark ideologischen Hintergrund, der Wertschätzung und Aufmerksamkeit gegenüber den Techniken des Machens - bedingt durch eine reale Zeitspanne, der Arbeit der Hände, dem Wissen und den Intentionen oder Eigenheiten von Materie. Es ist eine aktive Verortung im Raum, mit aktiven Handlungen, die in der fertigen Form mitschwingen. Diese Herangehensweise steht konträr zu einem Verfahren, bei dem ein genauer Entwurf maschinell realisiert wird - das ist eben eine andere Art von Statement.
Lebewesen, zu denen wir als Mensch gehören, sind agierende Körper in dieser Welt. Diese Überlegung, auch die der Wichtigkeit eines wahrnehmenden Subjektes, fehlt mir in vielen Theorien, bei denen Menschen sich von der Welt abstrahieren - denn im Endeffekt sind es auch unsere Körper, die sich auf dieser Welt bewegen, verorten, spüren und sich austauschen, die Dinge gestalten und verändern können. Die Vermittlung von Geschichten passiert demnach in meiner Arbeit meist auf physischer Erfahrungsebene, durch Begegnung mit Skulpturen im Raum.
Ich bin mittlerweile auch Teil des kollektiven Projekts „Werkstatt für alle" auf einer Brachfläche in Wien geworden, in dem wir uns mit der Nutzung von Räumen, Stadtentwicklung, politischen, sozialen und öko- logischen Themen auseinandersetzen. Dort in St. Marx, im dritten Wiener Gemeindebezirk, der auch schon von verschiedenen Gruppen wie einem Skateverein und einem Gartenverein mit viel Engagement erschlossen wurde, bauen wir eine überdachte Plattform. Sie ist als Werkstatt gedacht und kann auch von allen Menschen nach eigenen Bedürfnissen genutzt werden. Begonnen hat dieses Projekt im Oktober 2023, die Struktur des Kollektivs ist sehr offen, einige sind Kolleg*innen aus dem Kunstbereich. Es gibt auch schon Überlegungen für gemeinsame zukünftige Projekte.
Welche sind deine nächsten professionellen Schritte bzw. wie stellst du dir künftig dein Arbeitsleben vor?
Seit meinem Abschluss im Frühjahr bin ich selbstständig als Künstlerin tätig und habe ein Atelier in Wien. In den nächsten zwei Jahren werde ich viel Zeit im Ausland verbringen. Größtenteils habe ich vor, an Artist-in-Residence-Programmen teilzunehmen und so auch meine Arbeit mit Reisen zu verbinden. Während meines Studiums lebte ich ein Jahr in Istanbul und studierte im Zuge von Erasmus auf einer Kunstuniversität am Bosporus, um dort mit Stein zu arbeiten; an diese Zeit erinnere ich mich gerne. Ich freue mich schon auf die Inspiration, auch darauf, von anderen Kulturen zu lernen und neue Menschen kennenzulernen, in anderen Ländern auszustellen, vielleicht ergeben sich ja schöne Kooperationen. Im Herbst werde ich zum Beispiel für den Wiener Künstler Christoph Weber in Frankreich mit Stein arbeiten. Ich werde aber auch Zeit und Möglichkeit haben, eigene Projekte anzufangen. Ich stelle mir vor, künftig weiter meine Kunst zu zeigen und auch davon zu leben.
Wie schätzt du die Möglichkeiten ein, deinen Lebensunterhalt durch deine künstlerische Tätigkeit zu finanzieren?
Das ist natürlich eine schwierige Frage, die, wenn Kunst als Hauptberuf angestrebt wird, nur mit viel Idealismus und positiven Visionen beantwortet werden kann. Von der eigenen Kunst leben zu können, ist nicht einfach und ein Privileg, das leider nicht viele Künstler*innen genießen. Ich bleibe aber auf jeden Fall zuversichtlich.
Kurzbio
Geboren 1998, aufgewachsen im Süden der Steiermark, lebt und arbeitet in Wien. Absolventin der Universität für angewandte Kunst in Wien, Klasse Hans Schabus.
Beitrag aus der Begleitpublikation zu den
Kunst- und Kulturpreisen 2024 des Landes Steiermark
Stand: Oktober 2024